Markus Orians

 

Existentielle Themen

Gruppen- und Einzeltherapie

Eros, der Gott der Liebe

1. September 2022

  • Die Griechen unterschieden das Phänomen Liebe in vier unterschiedliche Erfahrungen
  • Eros der schöpferische Trieb
  • Sex und Liebe

Einerseits befassen sich die meisten Menschen sehr oft mit Sexualität und Liebe, andererseits loten wir die Tiefe und die Kräfte unseres Eros zu wenig aus.

Die alten Griechen gingen von vier Arten der Liebe aus:

  1. Sex beziehungsweise Lust. Wir können davon ausgehen, dass die Menschen damals Sex und Wollust für etwas Selbstverständliches hielten. Durch die monotheistischen Religionen in den Jahrhunderten danach, hat sich diese Haltung beträchtlich verändert. Noch heute sind wir dadurch beeinflusst. Ich glaube, mehr als wir vermuten. Auch diese Art von „Sexualisierung“ im heutigen Zeitgeist, würde ich noch damit in Verbindung bringen. Zwar habe ich das Gefühl, dass ein großer Teil der heutigen Jugend kaum mehr Scheu vor sexuellen Spielen zeigt, trotzdem meine ich auch, dass sie nicht viel glücklicher dabei sind als die Jugendlichen zu meiner Zeit, so etwa vor 50 Jahren. Wir, vor allem die Mädchen, hatten damals viel mehr Ängste, kaum Wissen und von daher sehr viele Unsicherheiten uns dem anderen Geschlecht zu nähern. Außerdem gab es damals so gut wie keine Verhütungsmittel. Alles, was mit Sexualität zusammenhing, war damals in meiner Welt tabu. Niemand sprach offen darüber. Präservative waren damals noch ziemlich fest und dick und konnten nur Erwachsene und nur in einer Apotheke besorgt oder bestellt werden.Der Begriff „Sex“ stammt aus dem zoologischen Bereich und wird für Tiere, wie für den Menschen gleichermaßen verwendet. Grundsätzlich ist der Mensch in unserer Welt das Maß aller Dinge, sieht sich in einer absoluten Sonderstellung zu allen Lebewesen und hat sich von daher geradezu folgerichtig immer weiter von der Natur entfernt. Aber sein sexuelles Verhalten stellt er auf die Stufe von Mäusen und Hunden. Geistig und seelisch sieht er sich ganz alleine, obwohl wir heute wissen, dass Tiere fühlen, Wissen haben und auch denken können und damit auch individuelle Wesen sind. Außerdem lässt sich auch die Sexualität nicht vom Geist und der Seele trennen. Damit werden sexuelle Handlungen nicht nur abgewertet und „vertierlicht“, sondern die Leibfeindlichkeit betont, um nicht zu sagen, verteufelt.
  2. Philia– die Freundschaft, die für Platon die höchste Form der Liebe war. Liebe und Freundschaft in einer Beziehung gehören zusammen.
  3. Agape– sie ist die Liebe, die ganz auf den anderen gerichtet ist gleichsam bedingungslose Liebe, es geht bei ihr nur um das Wohlbefinden des anderen.
  4. Eros- der schöpferische Trieb, der, wenn wir ihn entwickelt haben alle anderen drei Arten miteinander nicht nur verbindet, sondern die Kraft in sich hat, unsere Bewusstheit ständig weiter zu entwickeln. Wir verstehen unter Eros Erotik. Eros ist aber mehr, sehr viel mehr. Nach der frühgriechischen Mythologie schuf Eros das Leben auf der Erde. Eros der Gott der Liebe, trat auf, um das Leben auf der Erde zu entwickeln und gestalten. Eros war damals die Brücke zwischen den Menschen und den Göttern. Eros ist daher die Kraft zu erschaffen, zu gestalten, für das kreativ Wachsende zuständig.

Eros als Seinszustand ist das, nicht nur in der Beziehung Wachsende. Durch ihn wird die Beziehung prozesshaft veredelt, sublimiert und gestaltet. Eros beflügelt unsere Fantasie. Eros ist die Quelle der Zärtlichkeit, der Getrenntheit und Isolierung überwindet. Eros ist eine tiefe, umfassende Antriebskraft. Eine mächtige Kraft mit der aber umzugehen gelernt und geübt werden muss.

Mit dieser göttlichen Kraft ist nicht zu spaßen, denn ein ungezügelter Eros ist ein Dämon, eine mächtige, dämonische und zerstörerische Kraft. Daher wollen wir oft diese gewaltige Energie, die sich auch in der Wut, der Gewalt, der Macht, dem Hass, dem Neid, in der Eifersucht, in den Ängsten, der Gier sich zeigt, nicht annehmen, nicht anschauen, nicht haben. Wir verdrängen oder verleugnen sie dann lieber. Alles, was wir verdrängen, bewegt uns, ja beherrscht uns, zumeist unbewusst. Daher bleibt diese Haltung nicht ohne Folgen.

Eros ist Energie, in Form von Trieben. Was wir mit ihr machen, wie wir mit ihr umgehen, wohin wir diese Energie lenken, ist uns überlassen. Eros ist weder gut noch bös.

Sperren wir das Dämonische aber aus, verlieren wir damit auch die Fähigkeit zur Differenzierung, zur Sensibilität, zum Genießen, zur Verfeinerung, zur Zärtlichkeit, zur Nähe, zur Stille, zur Muse. Rilke: „Wenn mich meine Teufel verlassen, werden mich auch meine Engel verlassen.“

Für Aristoteles war das Dämonische, die „eudaimonische Ethik“- Glück. Glück war für ihn in Harmonie mit dem Dämon zu leben.

Im Dämonischen liegt unsere Vitalität, unsere Kraft, uns dem Leben und seinen Herausforderungen, seinen Zumutungen zu stellen, uns auseinanderzusetzen, unseren Willen durchzusetzen, genauso wie uns hinzugeben. Er gibt uns auch die Energie zu unserem Dämon zu stehen, ohne unsere Lust zu kastrieren, ohne den Leib verteufeln oder vergöttern zu müssen.

In der Kraft des Eros liegt die Macht einerseits, uns selbst zu behaupten, Selbstermächtigung zu erlangen und andererseits die Macht der Hingabe, die Macht unser Ego ganz loszulassen und uns bedingungslos der Liebesbeziehung hinzugeben. In dieser Haltung geschieht immer wieder Neues. Neues, das aus dem noch Verborgenen auftauchen und durch die Annahme dieser Energie ins Leben kommen kann.

Daher ist das Dämonische, unsere Urkraft, unsere Natur auch gegen die Auswüchse unserer neoliberalen Marktwirtschaft gerichtet. Denn dort wo sie gelebt und gesteuert wird, entsteht auch eine kritische Einstellung, die nicht nur nach außen gerichtet ist, sondern auch zu einer kritischen Haltung zu sich selbst führt; denn Wachstum ist ohne eine kritische Einstellung zu sich selbst, ohne Selbstreflexion kaum möglich. Nach außen richtet sich der gelebte Eros gegen eine einengende Moral, gegen viele Gesetze, gegen viele Ungerechtigkeiten, gegen zerstörerische Technologien, gegen allzu feste Strukturen, gegen antidemokratische Kräfte…

Auch gegen selbsternannte Führer wird man immun. Über den richtigen Umgang mit unserem Dämon wächst hingegen unsere Selbstmächtigkeit, unser Selbstbewusstsein, unser Selbstwertgefühl und die Fähigkeit zu einer richtigen Selbsteinschätzung.

Einerseits dürfen wir diese Ur- Kräfte keineswegs unterschätzen, andererseits dürfen wir sie aber genauso wenig ausschließen.

Wenn wir unsere dämonischen Kräfte ausblenden, verlieren wir auch unsere Willenskräfte. Ohne sie verlieren wir auch die Kraft uns in wichtigen und sinnvollen Situationen durchzusetzen. Dies führt uns früher oder später auch in psychische Krankheiten. Apathisches Verhalten, depressive Neigungen, genauso wie Gewalttätigkeit können dadurch entstehen. Wir suchen zwar die Nähe des anderen, können aber seine Nähe nicht wirklich aushalten oder gar genießen.

Können wir aber dem Dämonischen erlauben, uns zu begleiten, ist eine andere Bewusstheit entstanden. Durch die Kraft unseres Bewusstseins können wir dann das „Dämonische“ integrieren und sinnvoll steuern lernen.

Um mit diesen Kräften sinnvoll umgehen zu lernen, müssen wir eine andere Bewusstseinskraft entwickeln, weil wir sonst von diesen zerstörerischen Kräften überwältigt werden können.

Selbstmächtigkeit, die Kraft uns den Herausforderungen, den Zumutungen des Lebens zu stellen, unsere Fähigkeiten, Möglichkeiten zu entwickeln, uns selbst zu verwirklichen gelingt, indem wir lernen, ganz im Sinne von Aristoteles in Harmonie mit unserem Dämon zu leben.

Dies setzt voraus, dass wir lernen uns auch dem Abgründigen, dem Beängstigendem, dem Bedrohlichem, dem kaum Zumutbarem und immer wieder auch neuen Erfahrungen zu stellen- indem wir das Leben annehmen, so annehmen, wie es sich zeigt.

Ein Weg, der nur über Achtsamkeit, über Gewahrsein, über Spürsamkeit ermöglicht wird. Indem wir uns auch mit dem Lebendigen, der Wirklichkeit aus-ein-ander-setzen.

Eros ist also die Bejahung des eigenen Selbst. Außerdem die Kraft und die Fähigkeit zu geben und zu nehmen. Ist die Kraft sich selbst zu behaupten genauso wie die Fähigkeit sich bedingungslos hinzugeben. Er ist die Fähigkeit sich auf das Leben insgesamt einzulassen und sich den Herausforderungen des Lebens zu stellen.

Fragen und Aussagen zu Eros, über die es sich lohnt nachzudenken

Untersuchungen zeigen, dass etwa 15% der Menschen sehr wenig mit ihrer Sexualität zu tun haben, während etwa genauso viele ständig mit dem Drang dieses Triebes im Alltag sinnvoll umzugehen, beschäftigt sind. Abhängig ist diese Zahl auch, inwieweit in dem jeweiligen Land Sexualität zu leben eher selbstverständlich ist, oder eher unterdrückt werden muss.

Inwieweit bestimmt das Geschlecht unsere geistige Welt?

Inwieweit gibt es ein noch tieferes Identitätsgefühl, das sich weder ausschließlich männlich oder weiblich begreift?

Wie groß ist der Einfluss der modernen Kultur, der Religionen, die ein bestimmtes Verhalten und eine bestimmte Haltung dem jeweiligen Geschlecht zuordnen oder vorschreiben?

Geht die ökologische Katastrophe mit dem „Kampf“ der Geschlechter einher?

Dieter Duhm: Sexuelle Ehrlichkeit würde uns prompt vor die erschütterndste aller Tatsachen stellen: „Dass nämlich dieses ganze aufgeputzte Leben angesichts unserer wirklichen Wünsche und Sehnsüchte etwas Lächerliches und tief Verlogenes sind.“

Wie eng ist die Koppelung von Sex und Liebe?

Wann beginnt Sex?

Lassen sich Sexualität und Spiritualität verbinden?

Inwieweit ist der Eros mit zahlreichen anderen Faktoren wie: Macht, Hingabe, Trieb, Selbstbestätigung, Aggression, Religion, Spiritualität, Angst, Ausbeutung, Sucht, Pflicht, Moral… verbunden?

Wo die Liebe herrscht, da geht es nicht um Macht.

Wo die Macht herrscht, da fehlt die Liebe.

Sexuelle Tabus sind nicht nur neurotischen Ursprungs. Wir brauchen Tabus, denn ohne Tabus könnten wir gar nicht menschenwürdig zusammenleben.

Einige Aspekte, die sich erst durch unser Liebesspiel entfalten können.

  1. Das sogenannte Vorspiel, das Sich-Annähern. Eine gute Haltung könnte hierbei sein, sich selbst zu öffnen, aber auch die Partnerin wahrzunehmen und „mitnehmen“. Man sollte versuchen, alle bisherigen Erfahrungen und Kenntnisse loslassen und sich so offen wie möglich auf die Situation, auf das Jetzt einlassen. Das, was in der Verbundenheit geschieht, geschehen lassen und umsetzen. Dieses Einlassen muss nicht notwendigerweise über diese Phase hinausgehen.
  2. Das Zusammenkommen, das Eindringen so bewusst wie möglich wahrnehmen und auskosten. Sich Zeit lassen, sich einschwingen auf den Partner/In und mit der Erregung spielen. Nicht gleich zum Orgasmus drängen, sondern die Erregung steuern, indem man die Lust bis nahezu zum Orgasmus führt und dann Mal wieder auf- und abschwellen lässt.
  3. Gezielt, wenn der Körper und der Geist zusammen zum Orgasmus kommen wollen, diesen Höhepunkt ansteuern und sich ihm ganz hingeben. Manchmal,oder öfters passt es nicht, dass man zusammen und gleichzeitig den Höhepunkt erreicht. Der zuerst den Orgasmus erfährt, sollte ihn erst zusammen mit der Partnerin auskosten, um dann den Partner auf seinem Weg zum Orgasmus unterstützen.
  4. Die Zeit nach dem Orgasmus wird von der Intensität und Bedeutung, so glaube ich, am meisten unterschätzt. Innerhalb dieser Zeit sind wir weit, ist unser Herz so weit, wie selten sonst geöffnet. Wir haben uns hingegeben, sind damit zutiefst verletzlich aber auch für Neues aufnahmebereit. Gemeinsam sollten wir dieses andere Bewusstsein genießen, auskosten. Unser Ego ist verschwunden, es gibt keine Trennung zwischen Subjekt und Objekt, wir sind mit allem, aber vor allem mit der Partnerin verbunden. Innen ist Ruhe, Stille, der Körper will nur Ruhe. Auch der Geist ist viel ruhiger als sonst. Hier beginnt der Weg zu einem anderen Zusammensein, einer anderen Haltung zum gesamten Sein.

Die liebende Frau will sich im Eros selbst überschreiten. Das macht die erotische Ekstase so abgründig, geheimnisvoll und tief.

Vielleicht kann man sagen, dass das Weibliche, das übergreifende „Wir“ verkörpert und im Eros, über eine Liebesbeziehung ihr Ich-Wesen (stärker) entwickeln kann, ja muss, um vollständig zu werden.

Der Mann hingegen, der das Ich-Wesen verkörpert, kann durch den Eros, durch eine Liebesbeziehung mehr in ein übergreifendes „Wir“, hineinwachsen. Indem wir uns in einer Liebesbeziehung hingeben, uns der Partnerin, dem Partner ganz öffnen, können wir wahrnehmen, wie sich dadurch unser Bewusstsein erweitert. Es erweitert sich durch den gegenseitigen Austausch und Aufnahme der Wesens-Energien. Wir können unser Ego zurücklassen, und die gemeinsamen männlichen und weiblichen Kräfte spüren, in uns aufnehmen. Ganz-Werden, das Ich-Wesen mit der Energie des Partners, der Partnerin zusammenführen.

Der Eros ist die Wurzel jeder Bejahung und daher auch jeder Verneinung. Wenn der Mann sich dem „Wir“ und die Frau dem „Ich“ verweigert, fehlt ihnen etwas zur Vollständigkeit. Der Eros bildet hier die Brücke. Die Brücke zwischen uns und dem Göttlichen. Dem Göttlichen begegnen wir in dieser Ganzheit, durch die Aufhebung von Subjekt und Objekt, durch die Aufhebung von Innen und Außen. Daher suchen wir die andere Seite, die andere Wesensenergie. Suchen dieses „Andere“, das was uns (eher) fehlt im anderen, können es aber nur aufnehmen, wenn wir uns diesem Anderen öffnen, hingeben. In unser Herz das Wesen des anderen mitaufnehmen.

Dadurch öffnen wir uns zu einer neuen Identität und erfahren dabei: Ganzheit- Spiritualität- Göttlichkeit. Jenseits von männlich und weiblich. Sexualität in Verbindung mit Liebe kann uns transzendieren- in eine Bewusstheit, die die Trennung mit dem Sein aufhebt. Sex ist Bedürfnis, ist Trieb, Eros ist das Auskosten, das Genießen, die Tiefe, die Geheimnisse dieses Bedürfnisses kennen zu lernen.

Ich erfahre, dass spirituelle Erlebnisse immer auch mit dem Eros, mit erotischen Gefühlen verbunden sind. Jeder Orgasmus ist dann auch irgendwie spirituell, kosmisch eingebunden, genauso wie eine spirituelle, tiefe Erfahrung eine Art von Orgasmus ist. Er kann eine Grenzerfahrung, eine Grenz- Übersteigerung, oder Auflösung des Ichs sein.

Das Ich taucht dabei in eine Grenzzone, in ein anderes Bewusstsein ein. Dies macht den Moment der Verbindung, des Eindringens, des Zusammen- Kommens zu einem besonderen Moment. Ein Gefühl, das wir durch unser drängendes, sexuelles Bedürfnis, oft viel zu kurz oder gar nicht wahrnehmen. Je länger wir in diesem Gefühl schwelgen können, umso länger, umso deutlicher erfahren wir den „kleinen Tod“. Altes, alte Erfahrungen, altes Denken, alte Gefühle, altes Wissen, alter Glaube, alte Haltungen, alte Meinungen verschwinden, lösen sich ins Nichts auf, sterben.

Daher verkörpert der Orgasmus auch den kleinen Tod. Über den Orgasmus können wir den „kleinen Tod“ erfahren. Wie es sonst kaum möglich ist, können wir während, aber vor allem unmittelbar nach dem Orgasmus unseren Körper spüren. Alles, der gesamte Körper ist in besonderer Form lebendig, spürbar. Der ganze Körper pulsiert. Von der Haarspitze bis zum kleinen Zeh.

Je länger wir in diesem Zustand, in diesem Zustand des Nachspürens bleiben können, in diesem verbundenen Zustand der Stille, in dieser verbundenen Ruhe, in der verbundenen Leere, in diese innere Ekstase eintauchen können, umso mehr können wir die Erfahrung des kleinen Todes spüren.

Auf den kleinen Tod, kommt eine „kleine Wiedergeburt“. Nach dieser Geburt ist man durch die neue Erfahrung ein, eine andere. Die Wiedergeburt braucht Raum, Zeit und Stille. Diese gemeinsame Erfahrung, in der das Ich hellwach ist, als Erfahrung verbindet. Als gemeinsam erfahrenes Gefühl gibt sie der Beziehung Kräfte, durch die z.B. bisher unauflösliche Konflikte ins Nichts sich auflösen können.

Bedingungslose Liebe schließt auch den Tod mit ein; denn zumindest in diesem Moment, wenn man dieses kosmische Gefühl mit einem Partner oder einer Partnerin erfährt, will man diese Verbindung, diese Ganzheit, diese Vollständigkeit für alle Zeiten, oder wenigstens immer wieder erfahren. Das heißt bis zu seinem oder ihrem Tod.

Konflikte können sich deshalb auflösen, bedeutungsloser werden, weil diese spirituell, emotional intensive Erfahrung, eine viel größere Bedeutung und größeren Wert bekommt, als der Alltagskonflikt. Der Alltagskonflikt schrumpft durch die Kräfte des Eros erheblich zusammen. Deshalb ist es dann möglich, einen Weg zu finden, den beide gemeinsam gehen können. Wenn wir einen Konflikt haben, geht es folglich darum einen größeren, gemeinsamen Wert als den, des Konfliktes zu finden. Und in einer Liebesbeziehung ist es der Eros, die verbindende Liebe.

Weil keine Erfahrung intensiver, fordernder erfüllender und liebevoller als eine Liebesbeziehung sein kann, können (alle) Konflikte prozesshaft mit ihr gelöst werden. Lösen heißt nicht unbedingt, dass die Konflikte ganz verschwunden sind. Wir bekommen aber zu dem Konflikt eine andere Einstellung, weil Liebe immer auch den anderen sieht und mit in sein Denken, Fühlen und Handeln miteinbeziehen kann. Man kann den Konflikt einmal aus der Wir- Seite und einmal aus der Ich-Seite sehen und distanzierend zu seinem Ego durchschauen. Wenn ich als Mann das Wir der Partnerin aufgenommen habe, kann ich ihr Verhalten einfach annehmen, auch ohne es wirklich verstehen zu können. Sie macht bestimmte Handlungen anders als ich, sie macht bestimmte Handlungen, die für mich selbstverständlich sind, gar nicht. Für das männliche Ego unauflösliche Konflikte. Nun, in diesem Zustand, kann man die meisten Verhaltensweisen von ihr annehmen, ohne sie zu hinterfragen oder werten zu müssen und kann zumeist mit einer sinnvollen Handlung entsprechend reagieren.

Kein Ärger, keine Wut, keine Diskussion, kein Fragezeichen und damit auch keine Energieverschwendung und damit auch kein Konflikt. Im Sinne von: Ach, so macht sie das, oder ach, sie macht das gar nicht- interessant, spannend, so kann man also das auch machen, so kann man also auch leben!

Wenn wir uns überhaupt über dieses „Anderssein“ aus-ein-ander-setzen, dann mit der Frage, was wir hieraus Neues lernen können, wie wir durch diese Verhaltensweisen unseren eigenen Horizont erweitern können. Und wenn das Horizont-Erweitern „nur“ darin besteht, das noch fremde Verhalten anzunehmen. Und wenn eine Verhaltensweise gar zu fremd für unseren männlichen Horizont ist, dann versuchen wir über Fragen den Sinn oder Nichtsinn „in einer ruhigen Minute“ im Diskurs auszutauschen und zu verstehen. Wenn beide Partner sich zu dieser Bewusstheit aufschwingen, entsteht eine neue Qualität in der Beziehung- aber auch insgesamt zum Sein.

Dadurch entstehen neue tiefe, zuvor nicht erfahrbare, positive Erfahrungen, mit denen folgende Konflikte immer konstruktiver in gemeinsames Wachstum umgesetzt werden können.