Leben zwischen Zufriedenheit und Unzufriedenheit
Kurz vor Silvester 2019. Ich fuhr mit dem Zug von Mannheim nach Berlin. Gut 5 Stunden sind wir da unterwegs. Ich saß, mit Blick auf drei jüngere Menschen, zwischen 20 und 30 Jahren. Es waren zwei Frauen und ein Mann. Ich konnte sie ohne aufzufallen beobachten. Alle drei hatten ihren Laptop vor sich auf dem Tisch. Dazu lag ihr Handy griffbereit neben ihnen. Alle drei schauten Filme. Ungefähr alle 10 Minuten schauten sie auf ihr Handy nach Nachrichten und antworteten auch darauf. Nach etwa zwei drei Stunden war es so langsam mit den Filmen vorbei und ihr Handy kam immer häufiger in ihre Finger. Oft viel zu schnell für mich, um klar wahrzunehmen, wechselten sie die Programme. Mal schauten sie länger irgendwelche Bilder an, dann schrieben sie irgend-etwas, dann lasen sie, dann wieder Kurzfilme, dann… Ohne Unterlass mit kleinen Toilettenpausen dazwischen twitterten sie und spielten mit ihrem Handy bis wir in Berlin waren. Interessant ist noch, dass mir jetzt bewusst wird, dass ich in ihren Gesichtern kaum Gefühlsbewegungen wahrgenommen habe.
- Wie geht es ihnen jetzt 5 Stunden später?
- Sind sie eher entspannt oder angespannt?
- Was haben sie von der Reise, ihren Nachbarn mitbekommen?
- Was haben sie Neues erfahren, gelernt?
- Inwieweit waren ihnen ihre Handlungen bewusst?
- Wie fühlt sich dieser Zustand an? Ist das Stress? Ist man in diesem Zustand im Leben, oder ist es mehr ein ziemlich unbewusstes Existieren?
- Welche Bedeutung haben ihre Nachrichten, die sie verschickt haben?
- Wie oft machen sie das?
- Welche Auswirkungen haben solche Handlungen auf ihren Alltag, ihren Geist, ihre Seele, ihren Körper, ihre Beziehungen?
Was treibt sie, und unzählige andere Menschen an, ihre Zeit auf diese Weise zu füllen. Was ist daran sinnvoll? Und warum machen sie mal nichts anderes? Zum Beispiel – Nichts- oder zum Fenster raus schauen?
Bei vielen Menschen bekomme ich im Alltag immer wieder den Gedanken, dass ihr Handy eine Verlängerung ihrer Hand ist. Es gehört zur Hand wie ihre Finger. Oder, wie viele Menschen laufen mit gesenktem Kopf durch die Lande. Innerhalb ihres Lebens führen sie damit eine Art Zwischen-Existenz.
Diese Erfahrungen brachten mich dazu, über dieses exzessive Tun gründlicher nachzudenken. Auch ich fülle immer wieder meine Zeit mit Tätigkeiten, die genau betrachtet, wenig Sinn ergeben. Man kann auch ein „gutes“ Buch einfach lesen, weil man sonst die Zeit nicht zu füllen weiß? Warum gibt es Workoholiker, oder Finanzjonglöre? Nur um möglichst viel Geld zu verdienen?
Wissenschaftler der Universität von Virginia und Harvard haben Probanden zwischen sechs und 15 Minuten der Stille ausgesetzt. Die Teilnehmer waren zwischen 18 und 77 Jahre alt. Die meisten Teilnehmer erzählten, dass sie sich in diesen Minuten unwohl gefühlt haben. Ein Drittel der Teilnehmer, die den Test zu Hause ausführten gaben zu, geschummelt zu haben, weil sie das Stillsitzen nicht aushalten konnten.
Im folgenden Test hatten die Teilnehmer die Wahl zwischen der Stille und einem elektrischen Schlag. Alle bezeichneten den Schlag als schmerzhaft und sagten, dass sie lieber etwas zahlen würden, als diesen Schlag noch einmal erfahren zu müssen.
Viele Teilnehmer nahmen aber lieber die elektrischen Schläge in kauf, als noch einmal der Stille ausgesetzt zu werden. Ein Teilnehmer drückte 190 Mal auf den Knopf, nur um der Stille zu entgehen.
Was macht die Stille denn, oder was offenbart sie uns, dass viele Menschen vor ihr Angst haben.
Die Biologie hat eine natürliche Erklärung für mangelnde Vernunft. Wir sind nicht dazu geboren, um zufrieden zu sein. Es ist anzunehmen, dass unsere Vorfahren weniger Überlebenschancen gehabt hätten, wenn sie grundsätzlich zufrieden gewesen wären. Von daher könnte es kommen, dass unsere Opioide, die uns Freude und Zufriedenheit geben, wenn wir das erreicht haben, was wir wollten, weniger Macht als Dopamin haben. Dopamin ist ein chemischer Stoff, der bewirkt, dass wir Wünsche haben, etwas Wollen, suchen und begehren.
Wir wissen nicht, wann wir eine Nachricht bekommen und schauen deshalb immer wieder aufs Handy. Wir sind unzufrieden, solange wir nicht diese Nachricht, oder wenigstens eine Nachricht erhalten haben. Oder nach einem Film schaue ich noch einen Film in der Hoffnung, dass dieser noch „besser“ ist. Es scheint einfacher zu sein, auf Facebook noch einen Film und noch ein Filmchen anzuschauen, als damit bewusst aufzuhören. Es könnte immer noch ein tolleres Spiel auf mich warten, das mir noch einen stärkeren Kick gibt und mich endlich zufrieden macht. Wir schauen ein Programm noch einmal an, einfach, weil wir im Moment nichts Besseres zu tun haben. Von innen häufig unbewusst getrieben, spielen unsere Finger unentwegt mit den unzähligen technischen und elektronischen Möglichkeiten.
Wer oder was bestimmt uns hier? Das, was von dem Bildschirm ausgeht ist demnach ähnlich suchterzeugend wie Geldautomaten, oder Zigaretten, Gras… Obwohl wir wissen, dass wir letztendlich verlieren werden, spielen Menschen, haben trotz rationaler Erkenntnis Hoffnung, dass sie gewinnen werden. Und wenn, wie lange sind sie dann damit zufrieden?
Was aber hat dieses Verhalten für einen Preis?
Es ist offensichtlich zufriedenstellender, sinnlos auf der Tastatur zu spielen, als einen Punkt zu setzen und stopp zu sagen und danach auch zu handeln.
Das Dopamin gibt uns die Kraft, auch die Lust uns auf etwas einzulassen, etwas auszuprobieren, etwas zu suchen und wenn wir dies bewusst und eher spielerisch machen, können wir dabei Glücksgefühle wahrnehmen. Dies ist aber nur möglich, wenn ich nach der gemachten Erfahrung, einmal diesen Zustand genieße und mich dann aus dieser Situation wieder hinausbegebe, sie loslassen kann. Wenn ich zum Beispiel im Yoga, oder beim Tanz die Bewegung genieße, kann ich Glücksgefühle erfahren. Wenn ich diese Bewegung aber auf fünf Stunden ausdehne, verliere ich, stürze ich in Unzufriedenheit und Ärger hinab.
Was suchen wir in den Medien, in diesem Kasten, dass wir nicht aufhören können, weiter zu suchen? Irgendetwas in uns drängt uns dazu weiterzuspielen. Zufriedenheit werden wir darüber nicht erfahren. Unsere Ich- Kräfte scheinen oft schwächer zu sein, als ein unbewusster Drang, immer weiter zu machen. Das Dopamin erzeugt Wünsche, unser Wollen. Dadurch kommen wir ins Handeln. Aber selbst wenn der Wunsch erfüllt ist, wir alles haben, was wir begehrt haben, sind wir, wenn überhaupt, zumindest nicht allzu lange zufrieden.
Daher kommt es wohl auch, dass wir über mehr Materie nicht wirklich glücklich werden können. Wenn Menschen aufgrund eines glücklichen Umstandes zum Beispiel plötzlich das doppelte an Gehalt bekommen, dann sind sie zuerst unglaublich glücklich, dass sie jetzt ein neues Auto, eine neue und größere Wohnung, und teurere Kleidung kaufen können. Aber schon bald pendelt sich ihr Glücksgefühl genau dort ein, wo sie vor der Gehaltserhöhung standen. Glücklich zu sein scheint irgendwie anders zu gehen.
Zufrieden zu sein, glücklich zu werden, muss also anders „funktionieren“. Dopamin trägt wohl auch seinen Anteil dazu bei, dass viele Menschen ihren „Hals“ nicht vollkriegen, dass es ihnen nie reicht.
Wir sind offensichtlich nicht geboren, um zufrieden zu sein. Wir erwarten, wir haben die Hoffnung, dass immer noch mehr kommt. Immer noch warten wir auf einen neuen, größeren Kick.
Diese Unruhe haben wir von Anfang an in uns, es ist unser natürlicher Zustand. Als Reaktion auf diesen Trieb erfinden wir Tätigkeiten, die unsere Aufmerksamkeit binden und uns von uns selbst häufig entfernen.
Wir leben in Zeiten des Lärms. Wir können uns mittlerweile schlechter als Goldfische konzentrieren. Ein Goldfisch schafft neun, ein Mensch im Schnitt 8 Sekunden, sagen Forscher. Lieber einen elektrischen Schlag als Stille aushalten.
Zufriedenheit gibt es nicht von Geburt an in unserem Gehirn. Genauso wenig wie Ruhe. Unruhe ist eher unsere Normalität. Im immer Mehr verlieren wir die Kontrolle, und lassen uns von diesem Trieb häufig führen und beherrschen. Vieles, das wir dann tun ist sinnlos. Es geht darum die Zeit zu füllen, auszufüllen, um der Langeweile, der Muße, dem „aktiven Nichtstun“, dem Nichts, der Stille, nicht zu begegnen. Wir leben dann nicht im Augenblick, im Hier und Jetzt, sondern sind eher Getriebene, unseren Trieben, dem Unbewussten, dem „Es“, wie Freud sagt, ausgeliefert. Wir handeln aus einem unbewussten Automatismus heraus. Letztlich laufen wir vor uns selbst, dem was wir verdrängen und dadurch kompensieren müssen, davon. Allerdings letztlich vergeblich. Materie ist nicht unwichtig, macht uns aber nicht wirklich auf Dauer glücklich.
Die Produzenten der Apps, der Spiele, leben von diesem Trieb, dieser Sucht, der Suche, der Erwartung, dass es noch etwas Größeres, Fantastischeres gibt. Wenn nicht jetzt gleich, dann spätestens morgen. Deshalb verlieren wir uns in den Medien.
Dadurch lassen wir uns auch von den Medien ausnutzen, ja ausbeuten. Sie leben in hohem Maße davon, dass wir uns ausbeuten lassen, weil sie das verkaufen, was wir ihnen von uns Preis geben. Apple, Google, Facebook… Noch können wir nur erahnen, welche Macht sie über uns aus unseren freiwillig gelieferten Daten gewinnen. Schon heute verhalten sich diese großen Konzerne, wie große Nationen. Ja sie bestimmen schon jetzt nahezu unbehelligt und souverän, was sie tun wollen und wie viel oder richtiger, wie wenig Steuern sie bezahlen.
Aus dieser doppelten Abhängigkeit, einmal vom Inhalt der Medien und ihrer ganz konkreten Macht entsteht, muss immer mehr Frust, Hilflosigkeit, Passivität, Unzufriedenheit- auch Einsamkeit entstehen.
Egal wie lange wir gespielt haben, wir sind danach eher nicht zufrieden. Im Gegenteil. Wir haben den Frust durch das stundenlange Spielen nur hinausgeschoben. Vor diesem Frust, diesem inneren Fall, diesem bodenlosen Fall des „Aus,“ des „Nichts“, der „Stille“, der „Langeweile“ haben wir Angst und versuchen ihn daher möglichst lange hinaus zu schieben.
Langeweile ist das Fehlen von Sinn.- nichts passiert- kein Reiz von außen.- Erlebnisarmut. Erlebnisarmut kann aber auch durch einen Überfluss an Reizen entstehen. Je mehr man etwas gegen das Langweilen unternimmt, umso mehr langweilt man sich. Sich zu beschäftigen wird dann zum Selbstzweck.
Ziel ist es dann, einfach etwas zu tun, sich irgendwie zu beschäftigen. Man will nur zumeist unbewusst der Wirklichkeit entkommen.
Daher brauchen wir irgendwelche Drogen, um wenigstens ab und zu zufrieden zu sein, auch wenn dies dann ein künstlicher Zustand ist. Irgendwann lässt die Wirkung nach und wir landen meist hart wieder in der Wirklichkeit. Einerseits brauchen wir Drogen, um der Unzufriedenheit zu entfliehen und endlich Zufriedenheit, oder ähnliche Gefühle wenigstens künstlich zu erfahren, andererseits halten wir dann die herausfordernde Wirklichkeit noch weniger als zuvor aus und müssen daher sobald wie möglich ins künstliche Zufriedenheitskoma zurückkehren. Dies muss zwangsläufig so sein, weil wir ja nicht wirklich mit unserem Leben zufrieden sind.
Wenn es mir nicht gelingt, mich immer wieder dem Alltag zu stellen und die Wirklichkeit handelnd zu bewältigen, rutsche ich daher immer häufiger in diesen krankmachenden Automatismus und greife zu noch mehr Drogen.
Wie aber entsteht in uns Zufriedenheit? Was muss ich dann ändern oder tun? Zufrieden, im wahrsten Sinne „satt“, fühle ich mich nach einem guten Essen. Keine Wünsche mehr, keine Erwartungen. Aber wie lange hält dieser Zustand an? Und wie viele Menschen spüren auch dieses Sattsein gar nicht mehr, weil wir Hunger gar nicht mehr zulassen?
Satt und zufrieden kann ich auch sein, wenn ich zum Beispiel einen langen Spaziergang gemacht habe, müde bin, meinen Gedanken Raum gegeben habe. Aber und vor allem auch, wenn ich schöne Dinge, wie den Sonnenstrahl, das Blühen von Bäumen oder den Geruch von Jasmin wahrgenommen habe.
Auf dem Weg der Achtsamkeit, der achtsamen Selbststeuerung
begegnen wir den Kräften, die wir brauchen, um unsere Handlungen steuern zu lernen.
Zufriedenheit müssen wir lernen, einüben- indem wir „stopp“ sagen lernen. Innehalten und uns fragen, was wir da eigentlich machen, wozu –warum, für wen oder was machen wir jetzt gerade das?
Mit der „Trotzmacht des Geistes zu sich sagen: ich habe gefunden, was ich suche, jetzt bin ich zufrieden.
Ich lasse mir von mir selbst diesen Trieb so nicht bieten und sage: Stopp –
und halte inne. Ganz bewusst schalte ich dann mit einem selbstbewussten Lächeln den Kasten aus.
Wenn der Rhythmus zwischen Unzufriedenheit und Zufriedenheit immer mehr auf die Seite der Unzufriedenheit pendelt wird die Gefahr des sich Unglücklichfühlens größer.
Walter Benjamin: „Der Unzufriedene findet keinen bequemen Stuhl.“
Heidegger: Technologie verkürzt Abstände, stellt aber keine Nähe her. Auch geben wir unsere Freiheit auf, wenn wir die Technologie nutzen. Diese Worte muss Martin Heidegger schon vor 1976 seinem Sterbejahr gesagt haben. Da gab es aber diese Art von Technologie noch gar nicht.
Wenn ich durch das Wahrnehmen eines Sonnenunterganges oder dem Geruch von Jasmin ruhig und zufrieden werde, müsste ich versuchen öfter meine Sinne in diese Richtung auszurichten.
Wir müssen also Zufriedenheit in der Auseinandersetzung mit der Unzufriedenheit lernen. Indem ich beginne meine Unzufriedenheit anzuschauen, zu reflektieren, was sie mit mir macht. Darüber lerne ich mein Verhalten im Nachhinein kritisch anzuschauen und kann daraus ein kraftvolles Wollen bekommen, um mich aus diesem Elend, diesem Leid zu befreien.
Es muss ein Bedürfnis entstehen, das durch die Erfahrung der Unzufriedenheit mich zu diesem Entschluss reifen lässt.
Der Unzufriedenheit stellen, wahrnehmen was sie mit mir macht, wie sie mich beherrscht, manipuliert und mich in unselige Gefühle hinunterzieht, aus denen ich kaum mehr herauskomme. Den Körper nach stundenlangen Computersitzungen wahrnehmen, wie müde, erschöpft und unzufrieden er ist. Denn man wird durch stundenlanges Spielen nicht glücklicher. Glück und Zufriedenheit gehören auch zusammen.
Unseren Geist wie Muskeln trainieren lernen. Üben, regelmäßig üben, um die Kräfte unseres Geistes zu stärken. Immer wieder zu fragen, was mache ich hier eigentlich? Was will ich jetzt an meinem Kasten?
Zur Besinnung kommen, denn in den stundenlangen Sitzungen bin ich nicht bei Sinnen. Ich fühle mich von innen getrieben, will, nein „muss“ einfach weitermachen ohne Sinn und Zweck. Außer dem Zweck, der Wirklichkeit, dem Alltag, den Problemen zu entkommen. Aber irgendwann falle ich aus der Besinnungslosigkeit heraus und muss mich meinen Herausforderungen wieder stellen.
Ob mit Alkohol, Kokain, PC wir entkommen der Wirklichkeit nicht. Und je länger ich mich der Wirklichkeit entziehe, umso größer wird der Preis, den ich, mein Körper und meine Seele zahlen müssen.
Großartige Erlebnisse, die mich zufrieden machen, gibt es relativ selten. Man weint ihnen dann lange nach. Auf sie zu warten, führt daher auch in die Frustration. Sie kommen sowieso nicht durch ein Wollen, sondern durch ein „Mich- Öffnen“, mein Herz öffnen zu Stande.
Je weniger ich Zufriedenheit im Alltag erlebe, umso mehr muss ich sie auch kompensieren. Zumeist ist es uns nicht bewusst, dass wir über kurzlebige Lusterfahrungen, Arbeit, Sex, Konsum oder über Drogen unsere Unzufriedenheit kompensieren.
Es gibt einen anderen, grundsätzlichen Weg zur Zufriedenheit. Einen einfachen, aber nicht leichten Weg. Weil es diese besonderen großen Augenblicke zu selten gibt, müssen wir „banale“ Augenblicke zu etwas Besonderem machen. Durch innere Sinnenkraft dem Augenblick etwas „Besonderes“ geben.
Über Bewusstheit, über achtsame Selbststeuerung, über Gewahrsein lernen, so häufig wie möglich alltägliche Erfahrungen wahrzunehmen und zu genießen. Wahrzunehmen, wie oft meine chaotischen Gedanken, ja ganze Geschichten in mir kreisen, und lernen mich von ihnen zu lösen, um ins Hier und Jetzt zu kommen.
Die Welt verschwindet immer mehr im Sein, wenn wir in ihr aufgehen. Die Sorgen, die Ängste, sozusagen automatisch nehme ich jetzt auch meine Unzufriedenheit viel schneller wahr und kann dann auch immer schneller umschalten.
Die Welt aussperren, heißt nicht seiner Umgebung den Rücken kehren, sondern es heißt, die Welt deutlicher zu sehen, eine Richtung beizubehalten und zu versuchen, das Leben zu lieben.
Wenn wir unzufrieden sind, sehen wir die Schönheit unserer Welt nicht. Wir riechen sie nicht, wir fühlen sie nicht, wir spüren sie nicht, wir sehen sie nicht.
Uns fehlt die Neugier, die Bereitschaft zum Staunen. Staunen entsteht durch Innehalten, durch still werden. Plötzlich sehe ich in einem Bild, das ich schon hunderte Mal betrachtet habe, dieses schöne Blau, das wogende Gras, oder die einzelne Blüte an einem Strauch, fühle meine Fingerkuppen, wenn ich die Tasten meines PCs betätige, schaue die weiße Wand vor mir, mit den kleinen Buckelchen der Rauhfasertapete, nehme meinen Atem wahr, der ruhiger wird, einfach weil ich ihn nicht beeinflusse, ich spüre meine Sitzfläche auf dem Hocker und schaue ein Bild das schon ewig in meiner Wohnung ist an, als würde ich es zum ersten Mal sehen.
Aus sogenannten banalen Augenblicken Erfahrungen des Besonderen, des Schmunzelns, des Genießens, des Träumens, der Muße machen. Auf diese Weise erfahre ich ständig Neues, wirklich Neues. Schon deshalb, weil sich mein Bewusstsein durch die letzte Erfahrung weiter geöffnet hat und ich daher mich mehr in meine Sinne hinein geöffnet habe.
Wenn ich damit beginne mir im Alltag Anker zu schaffen, wie morgens, wenn ich in den Spiegel schaue, wenn ich die Bürotür öffne, wenn ich meine Haustür öffne, entstehen wachsend immer mehr Anker, so dass mein Tag immer häufiger durch die paar Sekunden des Genießens in Zufriedenheit getragen wird.
Wenn es mir gelingt, indem ich die Tür öffne, stopp zu sagen, was nehme ich gerade in meinem Körper wahr, oder was sehen meine Augen, schalte ich die Welt draußen aus.
Zufriedenheit lernen wir prozesshaft durch Üben. Zum Üben werden wir von innen geführt, zu einem kraftvollen Wollen, wenn ich mir mein Leid durch Unzufriedenheit bewusst mache.
Wahrnehmung im Alltag können wir auch spielerisch erweitern, indem wir an einem Tag nur auf Farben, am anderen Tag auf Formen, dann auf Kleinigkeiten, auf Lichtverhältnisse, auf Gerüche achten, oder indem wir mit den Augen, wie mit einem Objektiv spielen, einmal Nähe einstellen, einen Augenblick später in die Ferne schweifen und immer wieder wechseln…
Diesen Weg einmal beschritten, werden wir ihn niemals mehr verlassen. Allerdings wird dieser Weg anders verlaufen, als wir uns dies mit unserem jetzigen Bewusstsein vorstellen. Dadurch, dass unser Bewusstsein durch täglich neue Erfahrungen wächst, wird unser Bewusstseinshorizont ständig erweitert. Veränderte Wahrnehmung, führt zu einem anderen Denken, das wiederum zu einem anderen Fühlen. Dies alles wiederum führt zu einem anderen Körperbewusstsein. Gleichzeitig beeinflussen sich alle Bereiche gegenseitig, so dass wir im Jetztzustand nicht fähig sind unsere zukünftigen Fähigkeiten und Möglichkeiten einzuschätzen. Was man aber sagen kann, die Zufriedenheit, das Glücksgefühl, das Wohlbefinden, die emotionale Intensität wird beständig wachsen.
Ich weiß, dass es nicht immer möglich ist, sich so klar, sinnvoll und Gücklichsein kreierend zu verhalten. Dann sollten wir zumindest uns nicht abwerten oder klein machen, weil wir es Mal wieder nicht geschafft haben unseren Vorsatz umzusetzen. Bewusstes Verhalten in dieser Situation könnte so aussehen, dass ich mein „Nicht- Sinnvolles-Tun“, wenigstens genieße. Auf diese Weise erfahre ich auch eine Art von Zufriedenheit. Außerdem werde ich dann die Erfahrung machen, dass durch mein bewusstes Verhalten, ich meine Möglichkeiten, aber auch meine psychischen Grenzen kennen lerne und meinen Trieb besser steuern lerne.
Dadurch werden auch die wenigen besonderen Augenblicke mehr zu einer Art Selbstverständlichkeit bis ich wahrnehmen kann, dass sie meinen Tag vor allem in herausfordernden Situationen begleiten und beschützen. Ich werde innerhalb dieser Situationen immer häufiger den situativen und individuellen Sinn erkennen, und fähiger sein, sinnvoll zu handeln.
Daraus entsteht eine unstillbare Sehnsucht, die mich zur Stille, zum Bereich des Unbewussten führt.